Urdinkel aus Vorarlberg – chancenreich, regional und klimaneutral

26.08.2022, 09:35 Uhr

Eigentlich wollten wir beim Gespräch mit Bertram Martin vom Martinshof nur über Dinkelanbau in Vorarlberg sprechen. Das war naiv. Der Urdinkel ist eingebettet in ein komplexes System aus Energiewirtschaft, Tierwohl, Biodiversität, Kooperationskultur und gesteigertem Ernährungsbewusstsein in Vorarlberg.

Am besten, wir beginnen nochmal von vorne, im Jahr 1995. Als Bertram Martin den Hof seines Vaters in Buch übernahm, war die Zeit, als die allermeisten Legehühner in Österreich noch in Legebatterien lebten. Dies erkannte der Jungbauer als Chance und setzte konsequent auf Freilandhaltung. Die Nachfrage war sogleich stark – besonders an Ostern und Weihnachten. Wie alle Eierproduzenten in der Region hatte auch er die Situation, dass die Vorarlbergerinnen und Vorarlberger zu bestimmten Zeiten (eben Ostern und Weihnachten) sehr viele Eier wollen, dazwischen wiederum sehr viel weniger. Nun, was tun mit den vielen Eiern?

Nudeln waren eine gute Perspektive – und eine Brücke zum Dinkelanbau. Und wieder ging Bertram Martin den innovativen Weg: Er suchte Partner, die Dinkel anbauen konnten und wollten – und zwar ohne chemische Düngemittel, Pflanzenschutzmittel und Hormone (Halmverkürzer). Der Martinshof selbst übernimmt die Verarbeitung des Getreides – quasi wie eine Sennerei für die Milchbauern – und garantiert ihnen damit eine fixe Abnahme mit fixen Preisen. Die Idee hat jedenfalls Früchte getragen. Es sind schon über 60 Landwirte in Vorarlberg, die hier mitarbeiten und mitverdienen.

Robust und genügsam

Dinkel gilt als extrem robuste und genügsame Pflanze. Der Anbau war schon vor über 100 Jahren in Vorarlberg üblich, bevor er vom Mais verdrängt wurde. Dinkel ist im allgemeinen verträglicher als Weizen. Das gilt auch für die Nudeln, die aus Vorarlberger Dinkelmehl und Freilandeiern hergestellt werden. Sowohl Großküchen als auch Gourmetrestaurants gehören zu den Stammkunden des Martinshofes.

Familie Martins Philosophie: „Wir auf dem Martinshof begreifen uns als Teil eines großen Ganzen. Als solcher stehen wir in steter Wechselwirkung mit Mensch und Natur. Uns leitet die Überzeugung, dass auf lange Sicht Menschen, Tiere und Pflanzen ihr Potenzial nur gemeinsam entwickeln und entfalten können.“

In diesem Sinn wirtschaftet man am Martinshof auch schon seit längerer Zeit zu 100 Prozent klimaneutral. „Wir produzieren hier doppelt so viel Strom, wie wir verbrauchen“, erklärt Martin und auch die thermische Energie wird nachhaltig mit Waldhackgut aus dem eigenen Wald und von Landwirten aus dem Dorf gewonnen.