Vom Vorteil, im Kreis zu laufen.

06.07.2023, 10:03 Uhr

Wer bis 2035 chancenreichster Lebensraum für Kinder sein will, muss bereits heute die Weichen dafür stellen.... Ein Gastkommentar von Edgar Eller zu unserer Veranstaltung "Kreislaufwirtschaft bei Zumtobel Group und Wolford".

v.l. Sebastian Gann, Alfred Felder, Christina Meusburger und Andreas Röhrich.

Wer bis 2035 chancenreichster Lebensraum für Kinder sein will, muss bereits heute die Weichen dafür stellen. Denn wenn wir so weitermachen würden wie bisher, wäre unser Markenkern eher „bis einschließlich 2035 chancenreichster Lebensraum“ zu sein. Denn dann hätten wir bis dahin alle Möglichkeiten und Chancen unserer Kinder verfrühstückt. Wie sichert man also Chancenreichtum in der Gegenwart? Einer der wichtigsten Hebel ist der Schutz von Ressourcen und die Reduktion des eigenen Verbrauchs. Nichts anderes hatte auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe im Sinn, als es den Erstentwurf des deutschen Klimaschutzgesetzes mit dem Hinweis, es gäbe ein Recht auf Zukunft, als teilweise verfassungswidrig beurteilte. Die Reduktion des heutigen Ressourcenverbrauchs sichert Entscheidungsmöglichkeiten in der Zukunft.

So ist es nur folgerichtig, wenn die Marke Vorarlberg zur Veranstaltung mit zwei Firmen einlädt, die seit Jahren daran sind, ihren eigenen Ressourcenverbrauch massiv zu senken. Dabei arbeiten beide Firmen auch noch in jenen Branchen, die statistisch für einen Großteil der derzeitigen Umweltverschmutzung verantwortlich sind: Die Modeindustrie gehört nicht nur zu den größten Wasserverschmutzern, sondern mit 270kg CO2 pro Person auch zu den größten Treibhausgasemittenten. Und die Beleuchtungsindustrie sorgt dafür, dass die Nacht zum Tag wird. Was den Menschen freut, ist für einen Teil der Flora und Fauna ein Greuel und sorgt für das Schwinden zahlreicher nachtaktiven Insekten.

Mit Zumtobel und Wolford haben sich also zwei der ganz Großen in Vorarlberg bereits vor einigen Jahren auf den Weg gemacht, sich ihrer Verantwortung zu stellen und ihre Erfahrung und Möglichkeiten in die Suche nach Alternativen zu stecken. Die Zumtobel Group plant bis 2025 klimaneutral zu wirtschaften. Und Wolford möchte im selben Zeitraum mindestens 50% der Wäsche kreislauffähig, d.h. entweder biologisch abbaubar oder technologisch wiederverwertbar produzieren. Bei der Veranstaltung der Marke Vorarlberg im Lichtforum Dornbirn gewann der geneigte Besucher jedoch nicht nur interessante Insights in die Strategien zweier Konzerne. Sondern erfuhr Grundsätzliches darüber, wie eine positive Zukunft gelingen kann:

1) Bestandwahrung ist auch positiv

Die Entscheidung der Zumtobel Group, ihr neues Meeting-Center mit Showroom nicht auf die grüne Wiese zu setzen, sondern die alte Produktionshalle dafür zu nutzen, erwies sich als Glücksgriff. Es entstand nicht nur ein Gebäude mit großem Charme, sondern setzt auch ein Zeichen gegen den Flächenwahn, in dem Österreich bekanntlich Weltmeister ist.

2) Auch die Wirtschaft vermisst eine Universität

Das Vorarlberg keine Universität hat, ist in manchen Kreisen eine schlecht verheilte Wunde, die, wenn schon nicht klaffend aufreißt, zumindest immer wieder mal suppt. Dabei hat man in der Diskussion öfter den Eindruck, als ginge der Region dadurch einzig das intellektuelle Potential verloren. Alfred Felder, CEO von Zumtobel, machte in seiner Begrüßung jedoch auf einen weiteren Effekt aufmerksam. Es ist auch für die Industrie dadurch deutlich schwerer, internationale Fachkräfte zu bekommen.

3) Es geht um den Kreislauf

Der beste Müll ist der, der nicht entsteht, die wertvollsten Ressourcen jene, die nicht verbraucht werden. Langlebige, reparierbare Produkte bilden die Grundlage für eine spürbare Reduktion unseres Ressourcenverbrauchs. „Fast Fashion“ ist seit langem ein Synonym für pervertierten Konsum. Aber auch die Entwicklung der LED reduzierte zwar den Verbrauch pro Einheit, da einfache LEDs aber sehr günstig sind, werden heute an jeder Ecke Leuchtmittel verbaut, auch wenn diese nicht lange halten. „Rebound-Effekt“ nennen das die Experten. Bei Zumtobel arbeiten sie daher an Leuchten, bei der jedes einzelne Teil austauschbar ist. So halten die Leuchten über Generationen. Und Wolford brachte vor wenigen Jahren die erste Cradle to Cradle® Collection auf den Markt. Das bedeutet, die verwendeten Ressourcen können entweder komplett wiederverwendet oder kompostiert werden.

4) Die Gesetze hinken hinterher

Apropos Kompost: Derzeit ist es verboten, Wäsche zu kompostieren. Das mag sinnvoll sein bei den bisherigen Mischgeweben, bei denen man nicht sicher sein kann, was sich alles ins Grundwasser wäscht. Aber auch für 100% biologische Stoffe gibt es keine Ausnahme. Einfach, weil die Menge zu gering ist. Transformation nötigt uns allen Veränderungsbereitschaft ab. Auch dem Gesetzgeber.

5) Innovation steckt im Prozess

Produkte von Einweg auf Kreislaufwirtschaft zu drehen bedeutet, alles neu zu denken. „From scratch“ sozusagen. Es genügt nicht, einzelne Produkte auszutauschen. Die Innovation steckt im Prozess. Und wie Pablo Picasso schon anmerkte, man muss die Regeln verinnerlicht haben, um sie verändern zu können. Transformation braucht also nicht nur Wünschen, sondern auch Wissen.

6) Es geht nur gemeinsam

Echte Transformation braucht alle. Die Energie der Jungen und die Erfahrung der Alten. Eine Erkenntnis, die so banal wie ungewöhnlich zu sein scheint. Stehen sich im Alltag die Generationen oft fast unversöhnlich gegenüber. So als wäre Alter eine Charaktereigenschaft. Dabei geht es doch viel eher um die, die etwas verbessern wollen, und um jene, die das zu verhindern wissen. Ganz egal, wie viele Lenze jemand zählt. „Die Verbesserung unserer Prozesse hin zu Cradle to Cradle war eine Teamleistung und hat allen Beteiligten – bei aller Mühe – sehr viel Spaß gemacht.“ So umschreibt Andreas Röhrich, der bei Wolford diese Prozesse verantwortet, seine Erfahrung mit der Transformation.

Und das ist vermutlich die wichtigste Erkenntnis in Bezug auf Chancenreichtum: Zukunft wird gestaltet von Menschen, die es wollen und tun. Das hat viel mit Wissen zu tun. Der Publizist Wolf Lotter schreibt in diesem Zusammenhang „Wo man Wissensarbeit und Innovation blockiert, gibt es halt weniger Wissen. Und weil Wissen Macht ist, hat man dann weltweit weniger zu sagen.“ Wie es anders geht, zeigen Wolford und Zumtobel eindrücklich mit ihrer Entwicklung.

Edgar Eller.