Schulsozialarbeit macht Vorarlberg chancenreich

03.06.2025, 09:15 Uhr

Die Verdopplung der Schulsozialarbeiterstellen gilt als ein Schlüsselprojekt der Marke Vorarlberg. Bis 2027 sollen 40 Stellen geschaffen werden. Gemeinsam mit russmedia haben wir uns die Tätigkeit einer Schulsozialarbeiterin genauer angesehen.

Zuhören, wenn es sonst niemand tut

Wenn Kinder morgens die Klassenzimmertür durchschreiten, tragen viele von ihnen mehr mit sich als nur einen Schulranzen. Manche schleppen Sorgen mit, die schwerer wiegen als jedes Mathebuch. Hier beginnt die Arbeit von Kerstin Hofer. Sie ist Schulsozialarbeiterin an der Volksschule Lustenau und eine von jenen Menschen, die Kindern zuhören, wenn es sonst niemand tut.

„Ich bin für viele Kinder ein kleiner Anker. Ein sicherer Ort, wo Gefühle sein dürfen“,

sagt sie leise und mit Nachdruck. Ihr Büro ist ein Schutzraum. Kein Klassenzimmer, kein Therapieraum, sondern einfach ein Ort, wo ein Kind traurig, ängstlich oder wütend sein darf.

Gezielter Ausbau

Der landesweite Ausbau der Schulsozialarbeit ist kein zufälliger Schritt, sondern ein gezieltes Vorhaben im Rahmen der Marke Vorarlberg. Die Landesregierung hat das Projekt als eines von insgesamt elf Schlüsselprojekten definiert, um Vorarlberg zum chancenreichsten Lebensraum für Kinder zu machen. Die Schulsozialarbeit soll helfen, diesen Anspruch konkret werden zu lassen.

Alexander Kappaurer, Leiter der Marke Vorarlberg.

Schulsozialarbeit ist ein wichtiger Teil moderner Bildungsarbeit. Sie stärkt Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung, unterstützt den schulischen Erfolg und entlastet gleichzeitig Familien durch Beratung und Begleitung in herausfordernden Lebenslagen.“

Mag. (FH) Alexander Kappaurer
Leiter der Marke Vorarlberg

Beziehungsarbeit in den Pausen

Die Schulsozialarbeit in Vorarlberg wurde in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut. Bis 2027 sollen 40 Vollzeitstellen die Kinder im ganzen Land erreichen. Ziel ist es, alle Pflichtschulen in Vorarlberg entweder durch stationäre oder bedarfsorientierte mobile Schulsozialarbeit zu versorgen. Vorarlberg wird dafür in 20 sogenannte Planungsregionen eingeteilt. In jeder Region ist ein konkreter Anbieter für die Schulsozialarbeit zuständig.
Barbara Bischof, Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe im Amt der Vorarlberger Landesregierung, beschreibt die Bedeutung so:

Barbara Bischof Land Vorarlberg
Barbara Bischof

Schulsozialarbeit soll die Schule ergänzend zum Bildungsauftrag dabei unterstützen, ein chancenreicher Lebensraum zu werden, in dem eine gute schulische, soziale und persönliche Entwicklung der Schüler und Schülerinnen möglich ist.“

Barbara Bischof, BA
Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe
Abteilung Soziales und Integration (IVa)

Erfolgserlebnisse

Was das im Alltag bedeutet, erzählt Kerstin Hofer aus eigener Erfahrung: „Ein Bub kam zu mir und sagte: ‚Kannst du mir bitte helfen? Ich kann ohne meine Mama nicht einschlafen.‘ Sie war für zwei Tage auf Wellnessurlaub – zum ersten Mal ohne ihn. In dieser Zeit habe ich ihn begleitet, und wir haben zusammen etwas gebastelt, das er ihr mitgeben konnte. Und plötzlich konnte er schlafen. Solche Momente tragen mich.“

„Ich rede mit den Kindern über Gefühle. Ganz oft fehlen ihnen die Worte dafür. Ich helfe ihnen, diese zu finden.“

Kerstin Hofer
ifs Schulsozialarbeiterin VS Lustenau

Beziehung statt Bewertung

Was Schulsozialarbeit besonders macht? Sie bewertet nicht. Sie benotet nicht. Sie hört zu, sie vermittelt, sie begleitet. In Lustenau wissen die Kinder, wann Kerstin da ist. Sie können einfach vorbeikommen. Ohne Termin. Ohne Druck.

Dabei ist ihre Arbeit auch ein entlastendes Angebot für Lehrpersonen. Denn wenn Konflikte eskalieren oder Eltern an ihre Grenzen stoßen, braucht es Fachleute wie Kerstin.

Ich bin die Frau, die über Gefühle reden kann. So hat mich einmal ein Kind beschrieben. Und genau das bin ich gern.“

Komplexität steigt

Die Bedeutung der Schulsozialarbeit wächst mit jeder neuen Herausforderung im Schulalltag. Die Kinder werden vielfältiger, ihre Sorgen komplexer. Gleichzeitig fehlen vielerorts therapeutische Angebote oder sie sind mit langen Wartezeiten verbunden.

Wir sind oft die Einzigen, bei denen es keine Wartelisten gibt. Wir halten die Kinder stabil, bis andere Hilfen greifen können“,

erklärt Kerstin Hofer. Auch das ist ein zentraler Aspekt der Marke Vorarlberg: Dort einspringen, wo Lücken entstehen. Chancen sichtbar machen. Perspektiven schaffen. Gerade für jene, die selbst oft keine Stimme haben.

Und wie soll es weitergehen? Kerstin Hofer hat eine klare Vision:

Ich wünsche mir kleinere Klassen und mehr Zeit für Beziehung. Kinder brauchen Raum, um sich selbst zu finden.“

Es sind die leisen, kontinuierlichen Gesten der Zuwendung, die Schulsozialarbeit so wirkungsvoll machen. Was Kerstin Hofer in ihrem Alltag leistet, zeigt, wie wertvoll es ist, wenn Kinder jemanden haben, der einfach da ist. Nicht mit Lösungen, sondern mit echter Beziehung. „Du schaffst das.“ – dieser Satz ist kein Versprechen. Aber er ist ein Anfang. Und manchmal genau das, was ein Kind braucht, um seinen Weg zu gehen.

Eine gemeinsame Vision

Die Schulsozialarbeit steht exemplarisch für das, was die Marke Vorarlberg erreichen will: Ein Miteinander stärken, Chancen fördern, Lebensräume schaffen. Gemeinsam mit anderen Projekten wie etwa dem Stella Vorarlberg Pre College, der Musikalischen Grundversorgung, oder dem Freiwilligen Sozialen Jahr in der Kinderbildung zeigt sich, wie tief die Idee eines chancenreichen Lebensraums bereits verankert ist. Mehr Informationen zur Schulsozialarbeit in Vorarlberg findest du hier: vorarlberg.at/schulsozialarbeit

Denn: Jeder Mensch, jedes Kind, jede Familie verdient einen Ort, an dem sie wachsen dürfen. Und Menschen, die an sie glauben.